Der Stand der Dinge #5

Die Rekordsaison läuft und endlich steht auch Dirk wieder auf dem Feld. FORTYONE hat kurz vor dem Comeback mit ihm telefoniert und über seine Gesundheit, den Lauf der Mavs und die aktuelle Saison gesprochen.

FORTYONE: Unsere übliche Anfangsfrage: Wie geht’s deinem Knöchel?

DirkDem Fuß geht’s viel besser. Ich musste die Sehne ja einige Wochen lang nahezu ruhigstellen. Außer Radfahren und ein bisschen Krafttraining durfte ich fast nichts machen, auch als wir im Oktober in China waren. Aber ich arbeite mich zurück, seit drei Wochen kämpfe ich mich wieder ran. Ich bin im Juli und August überall auf dem Laufband gewesen. Überall, wo ich war. Ich war da schon einigermaßen fit – die ganze Arbeit ist natürlich in der Pause verloren gegangen. Ich musste mich erstmal wieder an den Fitnessstand der NBA heranarbeiten. Das ist harte Arbeit, aber so langsam komme ich näher. Wir haben kein bestimmtes Datum im Kopf, wann das erste Spiel kommen wird. Ich trainiere schon seit zwei Wochen wieder richtig mit. Ich fühle mich hier und da noch einen Schritt zu langsam, die Reaktionsschnelligkeit ist noch nicht ganz wieder da. Aber das erste Spiel rückt auf jeden Fall näher.

Als du dein erstes komplettes Training mitgemacht hast, war die OP genau 240 Tage her. Sieben Monate, 26 Tage. Wie hat es sich angefühlt, wieder richtig auf dem Feld zu stehen?

Natürlich komisch. Normalerweise mache ich nie so lange Pausen. Da achtest du natürlich wahnsinnig auf deinen Körper. Wie reagiert der Fuß, wie reagiert alles andere? Ist die Sehne OK, die jetzt die ganze Zeit Probleme gemacht hat? Anfangs kannst du den Basketball nicht wirklich genießen, sondern du versuchst erstmal, in deinen Körper reinzuhören, ob er mitspielt. Wo es zwickt. In den letzten zwei Wochen ist es ziemlich schnell besser geworden, ich habe nach dem Training Drei-gegen-Drei gespielt. Jetzt kommt auch die Kondition wieder zurück. Jetzt fehlt nur noch die letzte Schnellkraft, die Spritzigkeit, die man braucht, um ganz oben gut mitzuspielen. Ich hoffe, dass es bald soweit ist.

Die Pause war ziemlich lang – die längste in deiner Karriere. Wie sehr hast du das Spiel vermisst?

Tatsächlich war die Pause gar nicht so lang. Den ganzen Sommer war Reha angesagt, ich war in diesem Jahr nicht in Deutschland und auch sonst wenig unterwegs. Und auch als sich die Sehne entzündet hatte, haben wir jeden Tag etwas gemacht. Ob’s Radfahren war, Kräftigungsübungen für den Fuß oder Stabilisationsübungen. Während die Jungs im Trainingscamp waren, habe ich auch immer trainiert, vielleicht sogar mehr als sonst. Wirklich weg vom Spiel war ich nicht. Aber trotzdem war es eine schwierige Zeit für mich. Ich habe nie gern Spiele verpasst. In meiner ganzen Karriere habe ich nie längere Zeit ausgesetzt. Diese Saison ging dann nicht gut los, zwei Siege und sieben Niederlagen. War natürlich schade, dass ich da nicht spielen konnte, dass ich nicht helfen konnte. Ich konnte nur dasitzen und zuschauen. Das war schwer. Aber wir haben uns von diesem Saisonstart super erholt, spielen jetzt besser zusammen. Wir verteidigen besser. Das ist wirklich ein Schlüssel zum Sieg. Seit zwei, drei Wochen sind wir defensiv eine der besten Mannschaften der Liga. Die Jungs spielen klasse und es macht echt Spaß, ihnen zuzuschauen.

Wie fühlt sich so eine Niederlagenserie an?

Verlieren in der NBA macht nie Spaß. Die Coaches sind frustriert, die Spieler sind frustriert. Das merkt man überall: in der Film Session, vor dem Spiel, nach dem Spiel, am nächsten Tag. Und deswegen macht es nicht so viel Spaß. Wenn du gewinnst, macht es wahnsinnig Spaß. Die Stimmung ist besser, die Spieler haben Spaß untereinander, der Coach ist lockerer. Am Anfang der Saison gab es viele Momente, wo wir alle frustriert waren. Da gab es Reibungen, was ganz normal ist, wenn du fünf, sechs Spiele hintereinander verlierst. Da muss man dann einfach sagen: »Jungs, es ist früh in der Saison, lasst uns weiterarbeiten, lasst uns weiterkämpfen.« Du musst so positiv bleiben wie möglich. Und das ist uns ziemlich gut gelungen.

Aber denkt man zwischendurch auch mal, »Jetzt läuft es nicht gut und ich kann gar nicht mithelfen. Und wenn ich wieder dabei bin, dann macht’s vielleicht keinen Spaß mehr«? Oder warst du dir sicher, dass das schon wieder wird?

Ich habe in meinen 20 Jahren in der NBA schon viel mitgemacht. Klar kommen einem manchmal Zweifel. Und natürlich denkt man auch mal, »Puh, gewinnen wir überhaupt noch ein Spiel?« Aber es war sogar im Meisterschaftsjahr 2011 so, dass wir einmal vier, fünf hintereinander verloren haben. Ich war kurz raus, und Caron Butler hatte sich die Patellasehne gerissen. Da haben wir nur zwei Spiele gewonnen und sieben verloren. Du musst dich da durchkämpfen.Du musst versuchen, das mental nicht an dich heran zu lassen. Jeden Tag aufs Neue sagen: »OK, heute machen wir Krafttraining. Heute konzentrieren wir uns wieder. Was haben wir im letzten Spiel gut gemacht? Wo können wir ansetzen? Wo müssen wir uns heute im Training verbessern?« Das macht unser Coach immer sehr gut. Er analysiert eiskalt: »Wo müssen wir vorne und hinten besser werden?« Und dann wird an genau diesen Sachen gearbeitet. Klar ist es frustrierend, wenn es nicht so läuft. Aber ich habe ja gesehen, wie hart die Jungs gearbeitet haben. Nur die Resultate fehlten. Aber mittlerweile spielen sie vorne und hinten richtig guten Basketball.

Kannst du dich an einen Moment erinnern, wo du gedacht hast, »Oh, jetzt wird der Schalter umgelegt. Das wird was«?

In der Phase, als wir 2:7 angefangen haben, haben wir nicht total schlecht gespielt.Wir standen bei zwei Siegen und einer Niederlage, dann kam das ominöse Spiel in Atlanta, als wir in der ersten Halbzeit mit 26 Punkten vorne lagen. Und uns das Ding dann am Schluss noch haben abnehmen lassen. In San Antonio hatten wir das Spiel quasi schon gewonnen, aber dann verschenken wir das Ding mit 21 Ballverlusten und verlieren in der Verlängerung. Im ersten Spiel in LA kämpfen wir uns bis zum Unentschieden ran, dann leisten wir uns kurz vor Schluss ein Foul, LeBron macht einen Freiwurf rein und wir verlieren. Wir haben in der ersten Saisonphase ziemlich unglücklich Spiele verloren, die wir auch hätten gewinnen können. Und ich glaube, dass wir – die junge Mannschaft – daraus gelernt haben. Dass wir jetzt besser verteidigen, vor allem als Mannschaft. Wir haben zu Beginn einfach ein paar Fehler gemacht, die du dir nicht erlauben darfst, wenn du ein knappes Spiel gewinnen willst. Und daraus haben wir echt eine Menge gelernt, glaube ich. Seitdem haben wir auch die knappen Spiele für uns entschieden.

Lass uns kurz über das aktuelle Team reden. Mich würde interessieren, wie du Luka Dončić einschätzt, jetzt, nach den ersten 20 Spielen seiner Karriere.

Dončić spielt ein Wahnsinns-Rookie-Jahr. Wir haben gewusst, dass er ein guter Spieler ist. Alle haben gehofft, dass er gleich einschlägt. Aber dass er solche Zahlen hinlegt, vergleichbar mit denen von Jordan oder Bird in ihren Rookie-Jahren? Das ist schon Wahnsinn, wie skillful er ist. Was er alles in seinem Paket hat. Wie selbstbewusst er das abrufen kann. Wie abgezockt er mit seinen 19 Jahren schon ist. Er hat gegen Portland den entscheidendenWurf getroffen, den Stepback-Dreier. Der ist mit allen Wassern gewaschen. Er spielt, als ob er schon fünf, sechs, sieben Jahre in der Liga ist. Absolut phänomenal bisher. Wie er Entscheidungen am Ball trifft. In einem Spiel war Dennis Smith Jr. mal nicht dabei, da hat Luka als Point Guard angefangen, als 19-jähriger. Und er hat das ganz locker gemacht, wir haben das Spiel gewonnen. Das ist schon sehr, sehr beeindruckend.

Bei dir war der Beginn komplizierter, oder?

Für mich war es am Anfang sehr schwer, konstant meine Leistungen zu bringen. Bei Luka beeindruckt mich, wie beständig er ist. Du machst ein gutes Spiel, die Zeitungen schreiben toll über dich, du schwebst auf einer Wolke, ohne es zu wollen. Und dann hast du ein schlechtes Spiel und bist sofort wieder ganz unten. Diese Konstanz im Spiel zu erreichen, fand ich damals unheimlich schwer. Dass du deine Leistung jeden Abend liefern kannst. Und was Luka gerade abliefert, mit nicht einmal 20 Jahren, das ist beängstigend.

Bist du auf der Bank dann euphorisch? Denkst du: »Hey, das ist toll«?

Wenn man ihn spielen sieht, merkt man eigentlich nicht, dass er erst 19 ist. Aber dann macht er irgendeinen Supermove und guckt dann mit seinem schelmischen Grinsen rüber zur Bank – da merkst du dann schon: Luka liebt dieses Spiel noch, der ist mit Spaß dabei. Das freut einen auf der Bank natürlich. Er kam mit wahnsinnigem Druck hierher, alle haben gesagt, »Der ist der Nächste.« Das ist nicht einfach. Aber Luka hat eine gute Leichtigkeit und Spaß am Spiel. Da macht auch das Zuschauen Spaß.

Und das Team insgesamt?

Was mich gerade an unserer Mannschaft beeindruckt, ist die Bank. Die spielt ganz, ganz toll. J.J. Barea spielt eine Riesensaison für uns. Dwight Powell. Der Maxi spielt eine tolle Saison: konstant in der Verteidigung und vorne macht er sein Ding. Dorian Finney-Smith spielt eine super Saison. Ein Grund, warum wir am Anfang Schwierigkeiten hatten, war, dass auch Harrison Barnes fast drei Wochen aussetzen musste. Die ersten drei oder vier Spiele hat er verpasst. Und dann hat es ein bisschen gedauert, bis er in die Gänge gekommen ist. Aber jetzt spielt er richtig gut und wir gewinnen. Dennis Smith Jr. hat nochmal einen Schritt nach vorn gemacht. DeAndre Jordan ist da hinten natürlich ein absolutes Tier. Der räumt auf. Was uns natürlich beeindruckt, ist DeAndres Freiwurfquote. Bei den Clippers war die nicht toll, aber bis vor kurzem hat seine Freiwurfquote das Team angeführt. Also: Bisher ist es eine tolle Saison. Ich hoffe, dass es so weitergeht und ich gut reinpasse.

Es ist ein sehr tiefes Team. Wo siehst du da deinen Platz? Wie ist dein Plan für das Comeback?

Das stimmt: Wir haben eine tiefe Mannschaft. Die Jungs sind alle gut drauf, alle spielen gut. Das muss sich der Coach überlegen, wie wir das angehen. Für den Coach ist so eine tiefe Bank ein großer Luxus. Jemand wie Salah Mejri zum Beispiel. Er spielt oft nicht, aber wenn er spielt, ist er jedes Mal gut und effizient und macht sein Ding. Wir haben sehr viele Optionen. Man muss einfach mal sehen, was von Spiel zu Spiel das Beste ist. Ob ich hier und da mal ein paar Minuten auf dem Platz stehen kann. Und dann werden sicherlich irgendwann auch die Verletzungen eintreten. Bei 82 Spielen gehört das dazu. Aber mit so einer tiefen Bank kann man das ganz gut abfangen. Schauen wir mal. Ich mache mich erstmal fit. Und dann muss man einfach sehen, was die Saison bringt.

Aber du hast noch keinen festen Zeitplan für die Rückkehr? Gibt es das eine Spiel, zu dem du unbedingt wieder auf dem Feld stehen willst?

Wir schauen, wie die nächsten Tage verlaufen. Ich könnte mir schon vorstellen, in naher Zukunft, vielleicht sogar schon nächste Woche wieder aufzulaufen. Wenn der Körper fit ist, bin ich wieder dabei. Aber wir haben kein konkretes Datum festgelegt. Wir gucken von Tag zu Tag und entscheiden dann. Die Mannschaft spielt gut, es läuft, es gibt gar keine Eile.

Eine hypothetische Frage: Wie glücklich wirst du sein, wenn du zurück bist?

Ich freue mich auf den Wettbewerb. Das habe ich schon sehr vermisst. Ich freue mich darauf, auf dem Feld wieder Spaß zu haben. Es macht Spaß, wenn man gewinnt. Klar wird es hier und da auch etwas frustrierend sein, wenn es nach einer so langen Pause noch nicht so läuft. Aber da muss ich mich durchbeißen, da muss ich mich rankämpfen. Ich freue mich darauf, endlich wieder zu spielen.

Hast du zuletzt auch die anderen deutschen Spieler in der Liga verfolgt? 

Mit Moritz Wagner habe ich gesprochen, der war ja auch recht lange verletzt. Er musste sich auch erst wieder rankämpfen. »Das erste Jahr ist schwer«, habe ich ihm gesagt. »Kämpf dich durch, arbeite hart. Irgendwann kriegst du deine Chance.« Vor ein paar Tagen wurde er eingewechselt und hat seine ersten Punkte gemacht. Freut mich für ihn. Der Junge ist ein absoluter Arbeiter. Theis hat ja auch ein paar Verletzungsprobleme gehabt. Aber wenn er spielt, ist er stark. Er spielt eine wirklich gute Saison. Er ist athletisch und setzt seine Athletik sehr gut ein.

Letzte Frage: Erreicht ihr die Playoffs?

Es ist wahnsinnig eng im Westen. Du gewinnst ein Spiel und bist Siebter, du verlierst ein Spiel und es geht runter auf den zehnten oder elften Platz. So viele Mannschaften haben bisher eine ausgeglichene Punktebilanz, alles liegt im Moment zusammen. Die Saison wird ein Kampf. Aber unsere Jungs haben sich die Position erarbeitet, in der wir jetzt sind. Nach dem schweren Start. Sie haben es sich verdient, dass wir momentan auf einem Playoff-Platz stehen. Es ist noch nicht einmal Mitte Dezember. Es sind noch 60 Spiele zu spielen, da wird noch eine Menge passieren. Man muss auch sehen, dass Mannschaften wie Houston oder Utah noch hinter uns liegen. Wenn diese Teams gesünder werden, werden sie sicher irgendwann heiß laufen. Davon muss man ausgehen. Wir müssen trotzdem weiterhin unser Ding machen und Spiele gewinnen. Es wird bestimmt eine Phase kommen, in der es nicht so läuft. Das ist ganz normal in der NBA. Aber da muss man sich dann schnell wieder heraus kämpfen. Viele Spiele hintereinander verlieren darf man bei diesem Stand nicht. Ich hoffe, dass wir konstant weiterarbeiten und zusammen verteidigen. Und dann springt am Schluss hoffentlich ein Playoff-Platz dabei heraus.

___ von Redaktion Fortyone.

Foto © Tobias Zielony