»Als ich zur Würzburger Jugendbildungsstätte fahre, kann ich mir noch nicht richtig vorstellen, was mich gleich und in den nächsten Monaten bei der GameChanger-Ausbildung erwartet. Ich habe mit Absicht keine der Personen, die die Ausbildung bereits absolviert haben, nach genauen Inhalten und Abläufen gefragt. Alles, was mir gesagt wurde: Das musst du unbedingt machen.
Ich bin eine der Ersten und suche mir gleich eine Gesprächspartnerin. Nach und nach trudeln die anderen ein. Und dann geht es offiziell los. Mich wird noch lange beschäftigen, was der erste Tag sehr bald zeigt: wie offen die Teilnehmenden sind. Für Verletzlichkeit, für die Geschichten, Erfahrungen und Meinungen anderer.
Schon die Fragen der Vorstellungsrunde sind kein Zuckerschlecken: sie geben die Chance, sich der Gruppe emotional zu öffnen. Ich weiß, was meine ehrlichen Antworten sind, überlege mir aber Back-Up Optionen. Ich bin unsicher, weiß nicht, wie viel ich jetzt schon teilen will. Doch als die erste Person sichtlich ehrlich und offen von sich spricht, teile ich doch meine persönlichsten Gedanken mit einer mir noch völlig fremden Gruppe Menschen und werde dabei sehr emotional. Dabei ist mir zunächst etwas unwohl, ich bin dann aber froh, mich gleich am Anfang so gezeigt zu haben, wie ich bin – jetzt kann mir eigentlich nichts mehr unangenehm sein. Mit jedem ehrlichen Redebeitrag bricht das Eis mehr. Und mit dem Start in das erste Thema der GameChanger Ausbildung, »Ich und meine Werte«, wird klar: es wird auch persönlich weitergehen.
Auf den zweiten Tag war ich im Vorhinein sehr gespannt. Es ist der einzige Workshop, bei dem ich schon ungefähr weiß, was auf mich zukommt. Vor Ausbildungsbeginn durften wir einen Persönlichkeitstest machen, dessen Ergebnis uns vor dem ersten Modul zugeschickt wurde. Im Ablaufplan stand, dass wir diesen Test heute besprechen würden, und ich freue mich darauf, die Daten und Fakten in einen Kontext einordnen zu können. Ein bisschen neugierig bin ich darauf, wie die Ergebnisse bei den anderen aussehen. Man erhält selten so einen detaillierten Einblick von Personen, die man erst 24 Stunden kennt. Es ist ein seltsames Gefühl, so schnell so viel über andere Menschen zu wissen. Gleichzeitig gibt es unseren Beziehungen innerhalb der Gruppe sofort eine viel vertrauensvollere Grundlage.
Mir gefällt, wie wir an unsere Persönlichkeitstests herangehen: Wir besprechen die einzelnen Dimensionen im Plenum und in Kleingruppen. Es geht dabei nicht darum, uns zu ändern, sondern zu durchschauen, wie man selbst tickt, wie meine Spieler:innen ticken – und wie ich als Coach damit umgehen kann. Denn am Ende sind wir alle hier, um besser auf die Menschen eingehen zu können, die wir trainieren. Die Begrifflichkeiten des Tests bleiben bei der ganzen Gruppe hängen, immer wieder finden sie den Weg in unsere Gespräche, auch abends in der Stadt. Allgemein diskutieren wir die Inhalte oft noch lange, bis in die Nacht hinein.
Nach Tag zwei und dem Persönlichkeitstest fühle ich mich bestärkt in der Person, die ich bin. Nichts darin hat mich richtig überrascht, aber ich denke viel über die Ergebnisse nach, die da schwarz auf weiß stehen. Es hinterlässt einfach einen anderen Eindruck, wenn man Dinge, die man sich über sich selbst denkt, von außen gespiegelt bekommt.
Am dritten Tag ist Pierre Boisson unser erster externer Referent, sein Thema ist die wertschätzende Kommunikation. Pierre sagt Sätze, die sich direkt bei mir einbrennen. Fast noch besser: Er gibt uns sehr konkrete Tools an die Hand, um Kommunikation besser zu meistern, vor allem in den Situationen, in denen wir das Problem unseres Gegenübers nicht ganz verstehen. Darum geht es: verstehen. Oder zumindest zu wissen, dass meistens viel mehr dahintersteckt als das, was explizit gesagt wird. Und dass das Zuhören eigentlich eine viel größere Rolle bei der Kommunikation einnehmen sollte, als das Reden.
Nach dem Modul sind es besonders Pierres Tools, die mir immer wieder in den Kopf kommen. Völlig egal, ob im Trainingsalltag oder in privaten Gesprächen, immer wieder erwische ich mich dabei, wie ich in alte Muster verfalle. Ich bremse mich und reevaluiere. Zumindest versuche ich es. Es scheint, wie Pierre gesagt hat: Wertschätzende Kommunikation klingt schön und einfach, ist aber ein hartes Stück Arbeit – und braucht viel Übung.
Am Wochenende nach dem ersten Modul merke ich, wie mein Gehirn vieles von dem verarbeitet, was ich in den drei Tagen erfahren und erlebt habe. Trotzdem holt mich irgendwann der Alltag wieder ein. Zwischen den Modulen sind die regelmäßigen Buddy-Calls deshalb eine gute Chance, weiter an den Skills aus dem ersten Modul zu arbeiten. Es gibt ein Roadbook zur Begleitung, aber meine Gruppe hat sich aus dem Coaching-Alltag immer so viel zu erzählen, dass wir es gar nicht brauchen. Ich finde es wahnsinnig spannend, aus dem Trainingsalltag der beiden anderen zu hören. Beide kommen nicht aus meiner Sportart (Basketball), aber ich kann immer etwas für mich mitnehmen. Wir fangen an, uns gegenseitig zu beraten, wenn wir in Situationen mit Spieler:innen oder Elternteilen nicht weiter wissen. Während der gesamten Ausbildung halten wir die regelmäßigen Video-Calls aufrecht. Im November erzähle ich der Gruppe von einem Jobangebot und bekomme einen wunderschönen Pep-Talk – und mit neuem Selbstbewusstsein später den Job! Allein dafür werde ich der GameChanger-Community ewig dankbar sein.
Als dann das zweite Modul beginnt, ist es fast, als wären wir nie weg gewesen. Sebastian Altfelds Vortrag zum Thema Emotionen beeindruckt mich am zweiten Tag ähnlich wie Pierres. Er lädt uns dazu ein, im Laufe des Tages einfach aus dem Kreis aufzustehen und Aussagen, die uns besonders ansprechen, auf einer gemeinsamen Pinnwand festzuhalten. Am Abend ist das Plakat voll, meine Notizzettel auch.
Das Thema Emotionen beschäftigt uns alle ständig. Sebastian nimmt sich Zeit, wenn er merkt, dass da konkrete persönliche Situationen hinter unseren Fragen stehen, auch wenn wir dadurch vom Thema abkommen. Alle anderen hören gerne zu, wenn sich jemand traut zu fragen. Alle lernen davon. Ein Satz von Sebastian begleitet mich seitdem fast täglich: Alle Gefühle haben erst mal eine Daseinsberechtigung. Im Sport wünschen wir uns doch auch Emotionen! Wo sie herkommen und wie man mit ihnen umgehen kann, das erarbeiten wir uns in seinem Workshop.
Der dritte Tag dieses Moduls zwingt mich dann definitiv am meisten aus meiner Komfortzone. Christian Luthardt ist Sportpsychologe und bedient sich Übungen aus den verschiedensten Feldern, zum Beispiel aus dem Theater oder dem Cirque du Soleil – und die hinterlassen Eindruck. Obwohl es einigen (auch mir) sichtlich unangenehm ist, sperrt sich keiner. Ich finde es wahnsinnig beeindruckend, wie Christian aus verschiedensten Sportarten Inspiration ziehen und auf etwas völlig anderes anwenden kann. In unserer Gruppe kommen Leute aus Basketball, Fußball und Hockey zusammen. Aber nicht nur unsere sportlichen Hintergründe sind unterschiedlich, auch sonst sind wir sehr verschieden.
Ich kann aus dem Workshop vor allem mitnehmen, wie ich mir und meinen Werten treu bleiben und trotzdem meinen Spieler:innen den Freiraum geben kann, den sie für ihre Entwicklung brauchen. Dahinter steht die Frage, was für eine Trainerin ich sein will. Und wie ich es schaffe, dabei authentisch zu bleiben. Denn als Trainerin war mir schon immer wichtig, meinen Spieler:innen zu zeigen, dass sie einen Platz im Team haben, so wie sie sind. Und dass sie gut sind, wie sie sind, werden sie mir nur glauben, wenn ich ihnen diese Überzeugung vorlebe.
Younis Kamils Workshop eröffnet das dritte Modul und ist der praxisnahste von allen. Der, bei dem sich am meisten bewegt wird, denn wir starten vormittags in der Halle. Für uns bedeutet das einen Perspektivwechsel: Ehe wir die Inhalte als Trainer:innen besprechen, erleben wir sie zunächst in der Rolle von Spieler:innen. Nach dem Mittagessen treffen wir uns wieder im gewohnten Umfeld, dem Seminarraum, und wir erarbeiten gemeinsam, was sich Younis bei den Übungen gedacht hat.
Younis‘ Thema hat sehr viel mit Sensibilität zu tun. Ich würde mich selbst als sehr sensiblen Menschen bezeichnen, aber oft kommt mir das wie eine Schwäche vor. Younis möchte uns zeigen, wie wichtig es ist, auch die kleinen Sachen, die kleinen Unterschiede zu sehen. Wenn man sich bewusst ist, dass in einem Training nicht nur Spieler:innen stehen, sondern viele verschiedene Menschen, dann weiß man, wie viele Unterschiede es zwischen all diesen Menschen gibt. Und die gilt es zu managen.
Ich finde es toll, mit wie vielen konkreten Beispielen Younis agiert – ob konstruierter oder persönlicher Natur. Auch aus unserer Runde kommen konkrete Beispielsituationen, die wir gemeinsam besprechen können. Dabei fällt mir auf, wie sehr wir uns mittlerweile vertrauen, denn es gehört viel Mut dazu, auch mal eine Situation zu schildern, in der man sich nicht ganz optimal verhalten hat – und dann nachzufragen, wie man es beim nächsten Mal besser machen kann.
Für mich ein Motiv, das sich die ganze Ausbildung wiederholt: Es geht nicht darum, alles, was man falsch gemacht hat, ab sofort perfekt und richtig zu machen. Ziel ist, den eigenen Blick zu erweitern, aufmerksamer und rezeptiver zu sein und dann mit diesem Wissen zu versuchen, Dinge besser zu machen. Allein der Versuch, zuzuhören, hinzusehen und offen zu sein, ist schon ein großer Schritt in eine gute Richtung.
Bei Berthold Bisseliks Workshop am Abschlusstag erarbeiten wir uns mit Abstand am meisten selbst. Er möchte uns näherbringen, was ein Team eigentlich ausmacht; da das bei jedem Team anders ist, lässt er uns seine Methoden am GameChanger-Team selbst ausprobieren. Dabei ist unheimlich viel Raum für unsere Ideen und Wünsche, am letzten Tag entsteht nochmal ein deutliches Zusammengehörigkeitsgefühl. Ich weiß, dass ich nicht die Einzige bin, die das so empfindet.
Als der Tag vorbei ist und der Abschied ansteht, bin ich wirklich traurig. Neben den wertvollen Workshops sind es vor allem die persönlichen Gespräche, die die Zeit bei der GameChanger-Ausbildung zu einer unglaublich tollen Erfahrung gemacht haben. Ich glaube, bis jetzt selten in einem Raum mit so vielen Personen gewesen zu sein, die so interessiert an anderen Menschen sind. Die so bereit sind, sich selbst zu reflektieren, sich zu öffnen und verletzlich und ehrlich zu sein, um an den Dingen zu arbeiten, die ihnen wichtig sind. Mit so vielen Menschen, die bereit sind, an sich zu arbeiten, um den Kindern und Jugendlichen, die sie trainieren, so viel mehr zu geben als »nur« ein inhaltlich qualitativ hochwertiges Training – einen sicheren Raum für alle.«
Die GameChanger 2024
Das GameChanger-Programm:
Was ist das? Was bringt das?
Wer darf mitmachen? Und wie bewirbt man sich?
Alle Informationen zur GameChanger-Ausbildung des 41Campus findest du hier.
Die zweite Ausbildungsrunde 2025 beginnt im September und endet im Dezember 2025.
Modul I: 24. – 26.09.2025
Modul II: 29. – 31.10.2025
Modul III: 10. – 12.12.2025
Bewerbungen sind bis zum 27.07. möglich.
© Martin Schweitzer
Nina Schweitzer ist 23 Jahre alt, hat 2011 angefangen, Basketball zu spielen und trainiert seit 2017 Jugendmannschaften.