»In dieser Folge sprechen Luis und ich mit dem Fußballweltmeister und TV-Experten Christoph Kramer. Christoph zieht sein Fazit zur Fußball-EM und gibt Einblicke hinter die Kulissen seiner Zusammenarbeit mit Per Mertesacker als TV-Experte. Außerdem spricht über seine Zukunft im Fußball und seine Projekte außerhalb des Sports.
Mich hat besonders beeindruckt, wie Christoph neben seiner aktiven Profikarriere neugierig immer wieder neue spannende Herausforderungen sucht. Ich wünsche euch viel Spaß beim Zuhören.«
Silke Mayer: Wie ist dein Fazit zur Fußball-EM? Wie nimmst du die deutsche Mannschaft, das ganze Turnier und den Hype in Deutschland wahr?
Christoph Kramer: Ich muss sagen, das Turnier kam für Fußball-Deutschland zur rechten und zur rettenden Zeit. Wir waren die letzten sechs bis acht Jahre nicht so richtig verwöhnt, was Fußball angeht. Wobei ich sagen muss, es hängt ja meist an so ganz kleinen Kleinigkeiten. Ich glaube, wenn du England in einem Fifty-fifty-Spiel schlägst bei der EM 21, kannst du weit kommen, wenn du die Gruppenphase überstehst. Bei der WM in Katar glaube ich nach wie vor, hätte es ganz weit gehen können für die deutsche Mannschaft. Trotzdem hattest du immer so das Gefühl – natürlich durch das Abschneiden, aber auch durch das Mediale –, dass sich die Nationalmannschaft vom normalen Fan in Anführungszeichen ein bisschen verabschiedet hat. Das mal wieder umzudrehen ist das Allerwichtigste.
Ergebnisse kann man sich nicht kaufen, kann man sich nicht backen, und dass man gegen Spanien nach so einem Spiel rausfliegt, ist unfair, aber so ist halt der Fußball, das passiert. Trotzdem hat, glaube ich, jeder Deutsche wieder das Gefühl, boah, das war richtig geil, wie sich Deutschland als Land präsentiert hat bei dieser Europameisterschaft, und auch, wie sich die deutsche Mannschaft präsentiert hat, was so gesagt wurde, wie die Stimmung ist. Man kann sich wieder mit einer Mannschaft identifizieren, und das ist das Wichtigste.
Silke: Wie ist denn deine Zusammenarbeit mit Per Mertesacker?
Ich würde sagen, dass Per ein Freund von mir ist. Dann fällt es mir leicht, Per zu kritisieren, ihn auch mal so ein bisschen hochzunehmen, weil ich weiß, dass er es verträgt, und weil ich weiß, dass wir abends zusammensitzen, und ich weiß, dass er mich kennt und weiß, wie ich es meine, und wenn man sich so ein bisschen neckt oder mal anderer Meinung ist. Klar, es mag auch andere Menschen geben, aber ich kann das nur, wenn ich mich wohl fühle. Wenn ich mich nicht wohl fühle, könnte ich nicht sagen, so ist das nicht und so ist das. Ich brauche immer eine gewisse Chemie. Ich kann Freunde viel besser kritisieren als jemanden, zu dem ich keinen Draht habe.
Silke: Welche Erfahrungen haben dich auf dem Weg zum Fußballprofi am meisten geprägt?
Ich glaube, jeder Sportler, der irgendwann mal oben ankommt auf der Leistungsebene – das ist gar nicht so fußballspezifisch –, der hat ganz viele Täler durchschritten. Es gibt, glaube ich, nur ganz, ganz wenige Sportler, die so ein outstanding-Talent haben, dass mit dreizehn klar ist: Du wirst Profi. Dann wirst du wirklich Profi und legst eine einwandfreie Karriere hin. Bei Toni Kroos oder auch bei Mario Götze, da war es irgendwie klar. Ich habe gegen die gespielt, da waren sie fünfzehn, sechzehn. Da hat man gedacht: Was ist das denn für ein Spieler? Der kann ja nur Profi werden. Und dann haben die beiden natürlich auch Karrieren hingelegt, die bilderbuchmäßig sind. Und trotzdem wird es auch in deren Leben schwierige Zeiten gegeben haben, die ja keiner nachempfinden kann außer den beiden.
Zum Profisport gehört das einfach dazu. Ich habe auch viele schwierige Zeiten gehabt, die für jemanden, dem ich das erzähle, gar keine schwierigen Zeiten sind, aber jeder, der Profisportler ist, weiß, wovon ich rede. Man hat immer irgendwelche Sachen, wo man denkt: Boah, schwieriger Trainer, einfach schwierige Phase mental. […] Insgesamt kann ich diese Phasen, in denen es mal nicht so läuft, mental ganz gut verpacken und einfach weitermachen. Ich fall da in kein tiefes Loch, sondern ich gebe einfach weiter wirklich Gas und bin da sehr entspannt. Damit bin ich immer gut gefahren und ich setz mir nie so richtige Ziele, sondern probiere, bewusst die Tage zu genießen, auch wenn es manchmal schwer fällt.
[…] Gerade in der Pubertät hatte ich so Phasen, wo ich mich irgendwas nicht getraut habe, und der Spruch kommt nicht von ungefähr: Man bereut nur die Dinge, die man nicht getan hat. Irgendwann hab ich mir dann gedacht: Ey, trau dich und mach das, was du für richtig hältst, weil du es sonst irgendwann bereuen wirst. Du hast halt nur diesen einen Moment und du kannst immer deine Meinung sagen. Du kannst zu allem stehen, was du richtig findest.
Über seinen Wunsch, Trainer zu sein:
Mir macht es unheimlich viel Spaß, einfach zu arbeiten. Ich hatte sehr viel Erfolg in meinem Leben, ich brauche jetzt nicht mehr unbedingt das ganz große Stadion, sondern ich möchte einfach Menschen voranbringen – ob die jung oder alt sind, erwachsen oder jugendlich, ist mir eigentlich egal.
Wie er als Trainer sein möchte:
Ich halte nichts davon, irgendjemand zu kopieren, denn das funktioniert nicht. Wenn man jemanden kopieren könnte, dann wären alle wie Jürgen Klopp, aber man kann es nicht, es geht nicht, es macht keinen Sinn, sich ihn als Beispiel zu nehmen, denn man kann das nicht lernen. Man muss seinen eigenen Weg finden, und das ist auch gut so, dass man irgendwie Richtlinien, Prinzipien für sich als Mensch entdeckt, nach denen man handelt. Und ja, das habe ich natürlich auch. […]
Ich glaube, dass ich als Trainer so werde, wie ich gerne einen Trainer gehabt hätte. Und das werde ich auch gnadenlos durchziehen.
Über Meinungsstärke:
Ein Zusammenleben lebt von Diskussionen […]. Und es kann ja auch sein, dass jeder seine Meinung behält, das ist ja auch vollkommen okay, aber ich finde das total wichtig, dass man seine Meinung sagt. Das halte ich für eine gute Eigenschaft im Leben, die bei jedem vorhanden sein sollte.
Wenn Du wissen willst, was für Christoph einen guten Trainer ausmacht und was er sich selbst für die Zukunft vornimmt, dann höre Dir das gesamte Gespräch hier oder hier als Podcast an.
Unser Anliegen im 41Campus ist es, die persönliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in Sportteams wertebewusst zu begleiten. Deshalb wollen wir vor allem Trainer und Trainerinnen in ihrer Vorbild- und Mentorenfunktion stärken. In unserem Podcast spreche ich mit erfolgreichen Menschen im Sport über werteorientiertes Leadership.
Christoph Kramer, 1991 in Solingen geboren, spielt seit 2013 in der Fußball-Bundesliga, die meiste Zeit für Borussia Mönchengladbach. 2014 wurde er Weltmeister, seit 2018 arbeitet er als TV-Experte. Seit 2023 hostet er mit Tommi Schmitt den Fußball-Podcast Copa TS.