GameChanger: Robert

Robert arbeitet als Basketballtrainer in Tampa, Florida. Im Interview berichtet er von den Unterschieden zum europäischen Jugendbasketball und verrät, wie bereichernd die GameChanger-Ausbildung für ihn war.

Fortyone: Du lebst seit 2021 in Tampa, Florida – was genau machst du da?

Robert Geier: Ich arbeite für TNBA – The National Basketball Academy, im Bereich Individual- und Kleingruppentraining. Meine Position ist die des Program-Director für unser AAU-Program (Jungs und Mädchen) 4. bis 10. Stufe. Außerdem organisiere ich Camps mit den Orlando Magic. Wir sind offizieller Partner in der Jugendarbeit der Magic. 

Wie kam es, dass du dich für die USA entschieden hast?

Hier gibt es unzählige Möglichkeiten, mit Basketball Karriere zu machen. Ich mag die englische Sprache und den Lifestyle in Florida 🙂

Wer kommt zu dir?

Bei uns trainieren junge Kids ab etwa 9, 10 Jahren, Highschool-Kids, aber auch College-Spieler und Profis. 

Was zeichnet dich als Trainer aus? Was sind deine Schwerpunkte?

Empathie ist meine größte Stärke. Ich schaffe es, das Eis früh zu brechen und Beziehungen aufzubauen. Viele Kids sind sehr verschlossen und eingeschüchtert, weil manche Sport-Eltern sehr großen Einfluss auf die Karriere ihrer Kinder nehmen wollen. 

Ich versuche, meine Trainings so individuell wie möglich zu gestalten. Meine Trainingsschwerpunkte sind dabei Lösungsfindungen/Decision Making, das Thema Basketball-IQ und die Bewegungsqualität meiner Spieler.

Unterscheidet sich das Trainersein in den USA von dem in Deutschland? Ist deine Rolle als Trainer eine andere? Unterscheiden sich die Erwartungen an einen Trainer?

Jeder kann hier Trainer sein und sofort ein Team gründen oder ein Highschool-Team übernehmen. Es gibt kaum eine Ausbildung für Coaches. Die Menge an »Skills Coaches« ist unfassbar. Zu viel Masse, kaum Qualität. 

Der Stellenwert des Teamcoaches ist hier deutlich geringer als in Europa. Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten, auf hohem Level zu spielen. Wenn du in Ludwigsburg unzufrieden warst, waren die nächsten Optionen vielleicht Ulm, Urspring odern Bayern – hier gibt es die nächste Möglichkeit auf dem gleichen Level 5 Minuten entfernt.

Der Stellenwert der Individual- bzw. Development Coaches ist hier dagegen deutlich höher als in Europa, was allerdings sehr stark mit dem Basketballsystem zusammenhängt. 

Wie unterscheidet sich aus deiner Sicht der Ansatz, Basketball zu lernen?

Hier steht eindeutig das Spielen im Vordergrund. Die Mentalität ist hier eindeutig: Je mehr Spiele du spielst, desto besser wirst du. Ich kann da nur teilweise zustimmen. Kids werden hier jedes Wochenende durch teilweise 8 Spiele geschleust, ohne Rücksicht auf Langzeitschäden.

Die Rolle des privaten Individualtrainers ist hier deutlich größer, weil es für Kids keine Club-Strukturen gibt. Die Anfänge werden meist in der YMCA oder anderen Rec-Leagues gemacht. Hier gibt es eine Trainingseinheit und ein Spiel pro Woche. Ist der Spieler gut genug, sucht die Familie ein sogenanntes AAU-Program. Mit meist zwei Teamtrainings pro Woche. In einer Middleschool-Saison (6. bis 8. Klasse) werden 8 bis 10 Spiele in zwei Monaten gespielt. Basketball ist kein Sport, der in der Schule das ganze Jahr über angeboten wird. Es ist ein sogenannter Wintersport. Die Highschool-Saison geht von November bis März. Danach geht der AAU-Travel-Wahnsinn los. Was mir an der Einteilung in verschiedene Saisons gefällt, ist, dass Kids die Möglichkeit bekommen, mehrere Sportarten zu betreiben, was ihnen in ihrer langfristigen athletischen Entwicklung definitiv hilft.

Das große Ziel der meisten Kids ist es, ein College-Stipendium zu erhalten, um kostenlos studieren zu können. Dazu kommt, dass der traditionelle Trainingsstil hier noch sehr verbreitet ist. Wiederholungen »on air« gegen Hütchen, um Techniken und Muster zu erlernen, die im Spiel nur sehr selten so zum Einsatz kommen. 

Meine positivsten Erfahrungen bisher sind zwei College-Spieler, mit denen ich sehr eng arbeite. Eine Spielerin hat ihre beste Division 2-Saison gespielt und wurde ins All-Conference Team gewählt, ein anderer Spieler war maßgeblich daran beteiligt, dass USF (University of South Florida) die beste Saison der Schulgeschichte gespielt hat. Er wurde zum 6th Man of the Year und zum Most Improved Player gewählt. Beide haben mir mehrmals gesagt, dass sie diese Art von Training gerne gehabt hätten, als sie angefangen haben zu spielen.

Ich bin ein Fan davon, andere Coaches bei der Arbeit zu beobachten. Der traditionelle Stil ist hier nicht nur im Individualtraining, sondern auch im Teamtraining weit verbreitet. Ich kann mir nur ausmalen, wie dominant die USA im Weltbasketball sein könnten, wenn in der Jugend mehr nach dem Europäischen Stil ausgebildet werden würde. Denn eines ist klar: Die Anzahl an unfassbaren Ausnahmetalenten ist nirgendwo größer als hier.

Wie hast du den WM-Sieg der deutschen Mannschaft erlebt? Was glaubst du, wie wird USA Basketball reagieren?

Diese WM werde ich niemals vergessen!! Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn ich an Andis 3er oder Dennis’ Layup denke. Ich hätte nie gedacht, dass ich Deutschland und Basketball-Weltmeister mal im gleichen Satz erwähnen kann. Die unterschiedlichen Spielweisen waren deutlich zu erkennen. Das individuelle Talent war unfassbar für die USA. Die Welt hat allerdings den Anschluss geschafft. Deutschland, Spanien, Serbien, Lettland, Litauen etc. – alles Länder, in denen Spielverständnis mehr geschätzt wird als Isolation Plays und das 1-vs-1. Es war nur eine Frage der Zeit, bis teamorientierter High IQ-Basketball nicht nur attraktiver, sondern auch erfolgreicher wird. Natürlich braucht jedes Team einen Spieler, der jederzeit einen Score kreieren kann, aber wenn dieser Spieler auch noch teamorientiert ist und als guter Leader vorangeht, dann wird »Euroball«, wie die Amis diese Art von Basketball nennen, noch lange an der Spitze stehen. Zum Glück haben wir mit Dennis und Franz gleich zwei davon 🙂

Die USA wird alles daran setzen, die Olympischen Spiele in Paris zu gewinnen. Steph Curry, Bam Adebayo, Kevin Durant, Tyrese Haliburton, LeBron James sind selbstverständlich Superstars. Alle von ihnen haben bewiesen, dass sie in einem Teamgefüge bereit sind, füreinander zu spielen und ihr Ego vor der Halle zu parken. Ich vermute, dass der 12er-Kader mit Spielern aus Franchises bestückt sein wird, die mehr Euro-  als amerikanischen ISO-Ball spielen.

Manchmal liest man Kritik am amerikanischen Jugendbasketball, vor allem am AAU-Basketball. Steve Kerr zum Beispiel kritisiert, dass dort nur wenig Fokus aufs Teamtraining gelegt wird, weil schlicht zu viele Spiele anstehen und einzelne Starspieler zu häufig die Teams wechseln. Das Resultat seien individuell sehr starke Spieler, die Entwicklung als Team jedoch spiele keine große Rolle. Wie schätzt du das ein?  

AAU Basketball ist schlicht und ergreifend wahnsinnig. Teambasketball spielt kaum eine Rolle. Die große Frage für die meisten Familien ist »Wie kann ich mein Kind am besten in Szene setzen«? Als eines von wenigen AAU-Programmen hier in Tampa trainieren wir zweimal die Woche als Team, für jeweils 90 Minuten. In meinen Teams spielen Kids aus verschiedenen Middle- und Highschools aus der ganzen Tampa Bay. Dementsprechend bleibt kaum Zeit für individuelle Entwicklung. Der Großteil der Programme rekrutiert Spieler und trifft sich am Wochenende zum Turnier. Kein Training, keine Teamchemie whatsoever.

Die großen Sportartikelfirmen haben ihre eigenen AAU-Circuits, bei denen die einzelnen Teams gesponsert werden.

Basketball-IQ hat generell keinen großen Stellenwert im Jugendbasketball hier. Es geht darum, wie spektakulär Kids durch die Beine dribbeln können und wer die meisten Likes unter seinen Videos hat.

Bei meinem allerersten AAU-Turnier habe ich ein Team beobachtet, das drei »Coaches« mit Kameras auf der Bank hatte. Ein vierter Coach war nur dazu da, um lautstark zu »motivieren«. Kein Coaching, kein Development, pure Show.

Steve Kerr oder auch Geno Auriemma haben 100% Recht! Das, worauf es eigentlich ankommen sollte im Jugendbasketball, gibt es hier leider größtenteils nicht. Langfristige Ausbildung und Vertrauen in ein Programm gibt es nur sehr selten. Wir als Programm sind stolz darauf, dass wir »anders« sind. Wir trainieren zweimal die Woche und spielen bewusst NICHT jedes Wochenende, um Zeit für mehr Workouts zu haben. Wir wissen, dass eine Meisterschaft in der fünften Klasse nicht automatisch einen Profivertrag bedeutet und sind deshalb keine Organisation, die um jeden Preis Titel holen will. Ich etabliere mit meinen Teams das europäische Modell und melde sie für Turniere mit älteren Spielern an, um bessere Decision Maker und Solution Finder aus den Spielern zu machen. Damit sie langfristig erfolgreich sein können.

Wie ist deine eigene GameChanger-Geschichte? Wie bist du zum Programm gekommen?

Ich habe von meinem Mentor bei der Porsche BBA Ludwigsburg, Timo Probst, von der Ausbildung erfahren. Weil ich allerdings schon am oberen Ende der Altersgrenze gekratzt habe, war ich unsicher, ob ich einen Platz bekomme. Glücklicherweise hat es dann doch geklappt 🙂

Wie hilft dir die GameChanger-Ausbildung konkret in deinem Arbeitsalltag?

Jeden Tag denke ich an bestimmte Erfahrungen zurück. In meinem Alltag begegne ich so vielen Situationen mit Spielern, Trainerkollegen und Eltern, in denen ich vor der GameChanger-Ausbildung ganz anders reagiert hätte. Meine Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen und gut zuzuhören, habe ich während der Ausbildung verfeinern können. Ich benutze auch einige Spiele und Übungen aus den Modulen zur Teambildung und individuellen Persönlichkeitsentwicklung.

Kannst du auch von Tampa aus an der GameChanger-Community teilnehmen?  

Der Campus hat eine Plattform geschaffen, die es mir erlaubt, weiterhin Teil der Community zu sein. WhatsApp, Newsletter, Podcasts und der neue Discord-Server sind super! Leider schaffe ich es durch die Zeitverschiebung nicht immer, live dabei zu sein, aber ich freue mich immer, wenn ich von anderen GameChangern höre. Mit einigen von ihnen stehe ich via WhatsApp und Instagram in regelmäßigem Austausch. 

Noch eine Florida-Frage zum Abschluss: Verfolgst du die Orlando Magic mit den Wagner-Brüdern? Oder auch Montverde mit Cooper Flagg?

Natürlich verfolge ich die Magic als mein »home team«. Ich versuche, zu Spielen zu gehen und bin auch sporadisch mit Franz in Kontakt. Die Magic haben sich ja dieses Jahr für die Postseason qualifiziert; das wird ein Fest!

Montverde ist nicht von dieser Welt! Cooper Flagg ist der beste Highschool-Spieler der Welt! Ich hatte das Glück, Asa Newell in seiner Freshman-Saison live zu sehen, bevor er zu Montverde gegangen ist. Der Name ist vielen NOCH unbekannt, es wird aber nicht mehr lange dauern, bis auch er Schlagzeilen schreiben wird. Generell sind Montverde und auch IMG, was hier direkt um die Ecke ist, sehr beeindruckende Programme.

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KURZBIO

Robert Geier, Jahrgang 1992, hat in Köln Fitnessökonomie studiert und viele Jahre als Jugendcoach in Deutschland gearbeitet, u.a. in Ludwigsburg. Von 2018 bis 2021 hat er die Nachwuchstrainerausbildung der BBL durchlaufen. Seit 2021 ist er als Player Development Coach an der National Basketball Academy in Tampa, Florida, tätig.

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Das GameChanger-Programm:

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Alle Informationen zur GameChanger-Ausbildung des 41Campus findest du hier.

Auch in diesem Jahr gibt es wieder zwei Ausbildungsrunden.

Saison A: März bis Juni 2024
Saison B: September bis November 2024

___ von 41Campus & Redaktion Fortyone.

Fotos © 41Campus