»Ich bin bereit, hart zu arbeiten«

Gina Lückenkemper ist die derzeit schnellste Frau Europas. Wie sie das geschafft hat, erzählt sie im Gespräch mit Silke Mayer.

»Meine Interviewpartnerin in dieser Folge ist die schnellste Frau Europas: Gina Lückenkemper. Mich beeindruckt besonders, wie hart sie im Training arbeitet und wie sie gelernt hat, durch ihre Emotionen immer wieder ihre Leistungsgrenze zu verschieben. Sie erzählt, was ihr hilft, auch in schwierigen Zeiten motiviert zu bleiben und weiter an sich zu arbeiten. Ich wünsche euch viel Spaß und Inspiration beim Zuhören.«

 

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Silke Mayer: Hallo Gina. Du bist gerade in einer intensiven Trainingsphase zur Vorbereitung auf die Freiluftsaison. Wie geht es Dir? Wie läuft das Training? Du hast ja bereits Anfang des Monats eine neue Saison-Bestleistung mit 11,0 Sekunden über 100 Meter aufgestellt.

Gina Lückenkemper: Mir geht es momentan wahnsinnig gut. Ich bin sehr zufrieden mit den Trainingsfortschritten. Wir sind in der letzten heißen Phase der Vorbereitung auf die Saison. Ich trainiere in Florida bei Lance Brauman in der Trainingsgruppe. Die letzten Wochen hatten es echt in sich. Es steht ja eine harte Sommersaison bevor, mit den Weltmeisterschaften im August in Budapest, das ist auch das große Ziel dieses Jahr. Und dafür wurde jetzt nochmal ordentlich gearbeitet in den letzten Wochen. Ich bin die ersten Wettkämpfe schon gelaufen, die waren aber alle noch aus dem vollen Training heraus. Deshalb bin ich gespannt, was passiert, wenn ich die Vorbereitungsphase abgeschlossen habe.

Ich finde es sehr beeindruckend, wie Du im Training über Deine Leistungsgrenzen gehen kannst. Ist das ein Talent von Dir?

Ich weiß nicht, ob das eine Grundveranlagung von mir ist. Gerade das extrem über die Grenzen hinausgehen ist etwas, was ich erst hier in Florida gelernt habe. Das konnte ich 2018-19 noch nicht. Ich bin ja Ende 2019 erst hier in die Trainingsgruppe gekommen. Wenn ich ehrlich bin, wusste ich damals gar nicht, wie das ansatzweise funktioniert: »über seine Grenzen hinausgehen«. Das wurde aber von mir hier regelmäßig gefordert. Ich darf hier in einer Trainingsgruppe trainieren mit Weltmeistern, Weltrekordhaltern, Olympiasiegern … da ist alles vertreten. Mein Mindset in meinen ersten Jahren hier war: »Ich kann mir doch hier jetzt vor diesen Athleten nicht die Blöße geben«. Und das ist der einzige Grund, warum ich das geschafft habe in meinem ersten Jahr hier, an meine Grenzen heranzutreten und darüber hinaus zu kommen. Außerdem habe ich durch diese Wahnsinns-Europameisterschaft, die ich in München erleben durfte, nochmal so einen großen Motivationsschub bekommen, dass ich nochmal ganz anders in der Lage bin, im Training zu agieren. München hat mir gezeigt, was ich eigentlich kann und was ich in der Lage bin zu leisten. Danach habe ich mir neue Ziele gesetzt. Wenn ich diese Ziele erreichen will, dann muss ich hart dafür arbeiten. Dazu bin ich bereit.

Welche Rolle spielt der Trainer in Deiner Trainingsplanung? Wieviel Selbstmanagement ist gefragt von Dir und wieviel Einfluss hat Deine Tagesform auf die Trainingsbelastung?

Jeden Tag fragt mich Lance, »Hey, wie geht es Dir heute?«. Und er nimmt die Antworten seiner Athleten sehr ernst und hört zu. Durch seine Erfahrungswerte kann er auch an manchen Stellen nachfragen, ob ein Training möglich ist. Er vertraut viel auf das Körpergefühl seiner Athleten. Bei mir ist Trainingsabstimmung besonders schwierig, weil ich fliege ja nächste Woche wieder nach Deutschland und habe dann nur noch die Möglichkeit, mit meinem Trainer digital zu kommunizieren. Ich bekommen die Trainingspläne aus Florida zugeschickt und dann bin ich den kompletten Sommer bis zur WM auf mich alleine gestellt. Das haben wir letzten Sommer auch so gemacht und das hat hervorragend geklappt. Durch die Zeitverschiebung kann ich halt nicht während einer Trainingseinheit mal kurz anrufen und ihn nach Rat fragen. Da muss ich selbst reagieren und einschätzen, welche Trainingsintensität ich laufen kann. Es wird generell viel in Eigenregie gemacht. Trotzdem hat mein Trainer den Masterplan. Er hat alles auf den Saisonhöhepunkt hin strukturiert und nimmt Anpassungen vor, falls nötig. Ich schreibe ihm immer nach dem Training, wie ich mich gefühlt habe und ob ich alles gut machen konnte. Regelmäßige Kommunikation und Vertrauen ist das A und O.

Das Gespräch in voller Länge

Wenn Du wissen willst, wie Gina ihren 100 Meter-Lauf im Finale der Europameisterschaft erlebt hat und warum sie ihren Start fast absagen musste, dann höre Dir das gesamte Gespräch als Podcast hier oder hier an.

Unser Anliegen im 41Campus ist es, die persönliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in Sportteams wertebewusst zu begleiten. Deshalb wollen wir vor allem Trainer und Trainerinnen in ihrer Vorbild- und Mentorenfunktion stärken. In unserem Podcast spreche ich mit erfolgreichen Menschen im Sport über werteorientiertes Leadership.

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Gina Lückenkemper, geboren 1996 in Hamm, ist Spezialistin für die 100 Meter-Distanz, in der Halle läuft sie die 60 und die 200 Meter. Sie ist mehrfache Deutsche Meisterin und wurde 2022 in München sensationell gleich zwei Mal Europameisterin – über 100 Meter und mit der 4 x 100 Meter Staffel. Ihre persönliche Bestzeit über 100 Meter liegt bei 10,95 Sekunden. 2022 wurde sie zu Deutschlands Sportlerin des Jahres gewählt.

___ von Silke Mayer.

Foto Headerbild © IMAGO/beautiful sports/Axel Kohring