»Ich bin jetzt für dich da«

Beate Wagner ist Journalistin und Mutter zweier Basketball-Weltmeister: Franz und Moritz. Silke Mayer hat sich mit ihr über ihr neues Buch Glanz in ihren Augen unterhalten.

»In dieser Folge des 41Campus-Podcasts spreche ich mit Beate Wagner. Sie ist Ärztin, Journalistin und Mutter der beiden NBA-Spieler Moritz und Franz Wagner. In unserem Gespräch gibt sie Einblicke, wie sie die Entwicklung ihrer beiden Söhne zu Profisportlern begleitet hat und den NBA-Lifestyle hautnah miterleben durfte. Mich beeindruckt vor allem, wie mutig und ehrlich Beate über sich und ihre Familie reflektiert. Ich wünsche euch viel Inspiration beim Zuhören.«

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»How did you raise your kids?«

Silke: Du bist Journalistin, Schreiben ist dein Medium. Trotzdem finde ich es mutig und großartig, so persönlich zu schreiben. Was hat dich zu diesem Buch motiviert?

Beate: Ich weiß gar nicht, wann ich zum ersten Mal die Idee hatte, ich schreibe das auf. Ich glaube, es war irgendwann, als Moritz am College war, weil das so eine neue Welt für mich und für uns war. Da sind so viele Sachen passiert, die ich so crazy fand. Da wusste ich ja gar nicht, was noch alles kommt. Das war schon sehr besonders für uns. Ich bin Journalistin und habe dann gedacht: »Warum soll ich das eigentlich nicht verbinden?«

Die Motivation kam dann vor allen Dingen in den USA, weil wir da immer gefragt wurden:  »How did you raise your kids? Was habt ihr gemacht?« Und ich immer so: »Ich hab gar kein Geheimnis.« Manchmal war ich fast ein bisschen beschämt, dass ich keine Antwort hatte. Und dann habe ich irgendwann gedacht, okay, ich muss jetzt mal selber recherchieren und gucken, was da eigentlich gewesen ist.

Ist das etwas, was bei dir im Buch auch mitschwingt? Diese Reflektion einfach noch mal?

Ja, total. Weil es ja auch so viele Ereignisse in immer kürzeren Abständen gab. Und es geht ja immer noch weiter, hoffentlich. Das war auch so ein Ding: Ich möchte irgendwas festhalten. Weil es so eine irre Geschwindigkeit hat. Und weil es auch so viele Momente waren, wo man dachte, das kann doch nicht wahr sein. Und es sind mitunter natürlich auch Momente gewesen, die schwer waren. Aber überwiegend sind es wirklich schöne Momente.

»Und dann sagte Adam Silver: »You have to write a book about it.««

Familie Wagner in Berlin © privat

Gab es dazu erstmal ein bisschen Pushback von den Jungs? Also so: »Mama, plauder nicht so viel«?

Das war natürlich ein Prozess. Es war ein schöner, sogar ein öffentlicher Moment, als wir das erste Mal darüber gesprochen haben. Beim NBA-Lunch vor Franz’ Draft kam Adam Silver, der Commissioner, zu uns an den Tisch. Er war offensichtlich überrascht, dass er uns da schon wieder sieht. Franz sagt zu ihm: »Meine Mutter ist Journalistin«, und dann sagt Adam Silver: »You have to write a book about it.«

Die Jungs haben sich das erstmal angehört. Ich glaube, beide fanden die Idee gut. Natürlich war klar, okay, wir müssen auch darüber reden, was da drin stehen soll und wie du das machst. Und als ich gesagt habe, dass ich dazu recherchieren und ein halbes Jahr am Stück in Orlando leben möchte, ging dann die Diskussion los.

Die Idee war, ich möchte als Mutter, aber auch als Journalistin dieses halbe Jahr vor Ort verbringen. Und ich möchte von außen drauf gucken, aber natürlich auch von innen – mit meinen Kindern Zeit verbringen. Aber ich wollte es mir auch in dieser Recherchefunktion anzuschauen: Was passiert in einer Season? Wie läuft das ab? Was ist am Off Day? Was ist am Game Day wichtig? Und natürlich bin ich da voll eingetaucht.

Thema Trades: Wie hast du Moritz unterstützen können, als er wie eine Schachfigur verschoben wurde?

Ich glaube, das Einzige, was man da machen kann, und das habe ich versucht, ist, für das Kind das zu sein, was an Sicherheit im Leben da ist. Also: Ich bin da. So. Auch wenn ich jetzt ganz viele tausend Meilen entfernt bin, ich bin jetzt für dich da und ich halte das jetzt aus. Ich sage nicht, »Oh Gott«, oder »Wie schön, Mensch, in Washington können wir es uns auch toll machen«. Ist doch alles Bullshit. Sondern einfach zu sagen: »Wie geht es dir jetzt?« Und das so auszuhalten. Das haben wir über die Zeit gelernt. 

Es sind ja auch nicht nur die Trade-Situationen, sondern es gibt auch Verletzungssituationen, wo du auch nur am Telefon sitzt und denkst so, okay, so einfach nur jetzt den Moment, den Raum halten, gar nichts machen mit dieser Traurigkeit, vielleicht auch mit der Überraschung, und nur versuchen, da zu sein.

»Ich muss nicht immer alles erkären.«

Du beschreibst, wie du als Mutter versuchst, einfach da zu sein, ohne eigene Erwartungen, ohne es an Leistung oder an irgendwas anderes zu koppeln. Ich selbst finde das manchmal schwierig, gerade im Leistungskontext. Wenn man dann so mitfiebert, heißt es: »Dann ist es dir ja doch irgendwie wichtig, dann ist Erfolg ja doch irgendwie wichtig.« So kam das dann oft, glaube ich, rüber.

Ja, ja, das verstehe ich, diesen Zwiespalt. Dass man sagt, ich bin doch eigentlich nur für dich da. Das ist mir ganz egal, was du machst. Und dann geht man ja wirklich ab. Das ist bei mir ganz genauso. Da kann ich mich überhaupt nicht zusammenreißen. Ich glaube aber, ich habe mich ein bisschen davon verabschiedet, dass ich immer alles erklären muss.

Das kenne ich vor allen Dingen aus der Jugendzeit, als die Kinder hier in Deutschland Jugendbasketballer waren, dass dann kritische Stimmen kamen, auch aus dem Freundeskreis. »Was ist das mit diesem Leistungsdruck da bei euch? Was macht ihr denn da mit euren Kindern?« Das war für mich eine Zeitlang ein Problem. Und irgendwann habe ich das versucht abzugeben und habe mir gedacht: »Okay, wenn die Leute da nicht mitgehen, ist das gar nicht mein Thema, sondern eher deren.«

 

Das Gespräch in voller Länge

Wenn Du wissen willst, wie Beate die Zeit mit ihren erwachsenen Söhnen in Orlando erlebt hat und welches Projekt sie als Nächstes angeht, dann höre Dir das gesamte Gespräch hier oder hier als Podcast an.

Unser Anliegen im 41Campus ist es, die persönliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in Sportteams wertebewusst zu begleiten. Deshalb wollen wir vor allem Trainer und Trainerinnen in ihrer Vorbild- und Mentorenfunktion stärken. In unserem Podcast spreche ich mit erfolgreichen Menschen im Sport über werteorientiertes Leadership.

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Beate Wagner ist Ärztin (Studium der Humanmedizin an der Charité in Berlin), Wissenschafts- und Medizinjournalistin und Mutter von Moritz und Franz. Seit über 20 Jahren schreibt sie über Gesundheit, Psychologie, Medizin, Ernährung und Sport. Zudem ist sie Achtsamkeitstrainerin.

Sie beschäftigt sich mit Themen wie Potenzialentwicklung, Talentförderung, Mentaltraining, Sport- und Persönlichkeitspsychologie. Privat liebt Beate Wagner Laufen, Wandern, Yoga und Meditation, in der Welt unterwegs sein und lesen. Sie lebt mit ihrem Ehemann in Berlin. Während der Saison 2022/23 verbrachte sie ein halbes Jahr zusammen mit ihren Söhnen in Orlando.

Beate Wagner. Moritz und Franz Wagner: Glanz in ihren Augen. Ariston Verlag, München 2024, ISBN 978-3-424-20290-8.

___ von Silke Mayer.

Foto Beate Wagner © Edgar Rodtmann