Die meisten GameChanger kommen aus dem Leistungssport und lernen erst im Rahmen der Ausbildung, worauf es beim Trainer:innensein ankommt – über das rein Sportliche hinaus. Bei der 23-jährigen Laura Weckerle ist das anders: Zwar ist sie selbst aktive Sportlerin, ihr Hintergrund ist jedoch die Sonderpädagogik. Das verschafft ihr eine besondere Perspektive auf das GameChanger-Programm: Die zentralen Inhalte der Ausbildung waren ihr schon zuvor vertraut und nah. Für uns erzählt sie, warum sie die Ausbildung trotzdem »auf links gedreht« hat.
Bevor ich letztes Jahr die Mädchen-U12 der Würzburger Kickers übernommen habe, wollte ich mit dem Fußball eigentlich nichts mehr am Hut haben. Ich spiele seit meinem fünften Lebensjahr Fußball, inzwischen in der zweiten Damenmannschaft der Kickers. Das Training und die Spiele lassen nur wenig Zeit für anderes, und ich trainiere gerade für meinen ersten Marathon. Aber dann habe ich mich überreden lassen, einmal beim Training der U12 vorbeizuschauen. Ich habe noch nie so viele Mädchen mit gleichen Trainingsklamotten auf einem Fußballplatz gesehen! Das war für mich ein übler Moment, positiv gesehen. Dann hab ich da einfach mal mittrainiert, ein bisschen mitgeholfen. Irgendwann hat mich die Trainerin gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, das als Cheftrainerin zu übernehmen. Und ich wusste von Anfang an: Ja, ich will das machen.
Die Verbindung zu den Spielerinnen ist mir sehr wichtig. Ich würde sagen, dass sie vor allem durch Gespräche entsteht. Dadurch, dass die Mädchen mit Problemen zu mir kommen. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich eine Frau bin. Wenn ich merke: Da passt etwas nicht, versuche ich, die Spielerin rauszunehmen und zu fragen: Was ist los? Kann ich dir helfen? Ich versuche, durch Gespräche Konflikte zu lösen. Ich würde sagen, 70 Prozent meiner Tätigkeit sind pädagogische Arbeit und der Rest ist dann Fußball und die Organisation drumherum.
Zur GameChanger-Ausbildung kam ich, als ich ganz frisch bei den Würzburger Kickers war. Da kam Heinz Reinders auf mich zu, der zum Vorstand gehört und die U17 trainiert. Er meinte, ich solle mir das Programm einfach mal angucken. Mit dem U14-Trainer Fabian habe ich auch gesprochen: Ihm hat das Programm sehr weitergeholfen. Es seien tolle Leute, sagte er. Und es würde eben einfach zu mir passen. Und dann habe ich mich einfach beworben.
Mir war vorher gar nicht bewusst, dass es bei der GameChanger-Ausbildung so persönlich wird, und dass ich aus der Ausbildung sehr viel selbstreflektierter rausgehen würde. Ich hatte echt erwartet, dass die sportliche Komponente zentral sein würde. Aber meine Erwartungen wurden vollkommen übertroffen. Nach dem ersten Modul war ich komplett fertig – wie so ein Kissenbezug auf links gedreht und vollkommen zerknittert. Ich habe nach dem ersten Modul wirklich noch Wochen darüber nachgedacht und war froh, dass ich immer jemanden hatte, mit dem ich darüber reden konnte, auch durch unsere sogenannten Buddy Calls. Das war sehr, sehr wichtig.
Mein Ziel als Trainerin ist es, den Mädchen meine Leidenschaft und meine Liebe zum Fußball zu vermitteln – aber auch, ihre Persönlichkeiten weiterzuentwickeln. Aber ich bin ehrlich: Ich verliere auch nicht gerne. Das musste ich hier wieder lernen, das war für mich ein großer Lerneffekt. Es geht darum, dass die Spielerinnen auf den Platz kommen und einfach mal ihre Sorgen vergessen können, einfach Spaß haben, sich austoben können, und vor allem auch, dass sie untereinander Freundschaften entwickeln.
Die Frage nach Selbstwirksamkeit war mir schon wichtig, bevor ich Trainerin wurde. Das ist auf mein Sonderpädagogik-Studium zurückzuführen, weil da eben dieses Autonomieverhalten, diese Selbstwirksamkeit, dieses kompetenzorientierte Vorgehen immer Thema ist. Die GameChanger-Ausbildung hat mir noch mal vor Augen geführt, wie ich das im Fußball explizit umsetzen kann. Da ist auch im Austausch mit den anderen GameChangern viel bei rumgekommen. Dass man zum Beispiel, wenn man Wettkampfformen mit Sprinteinheiten macht, nicht nur sagt: OK, die schnellste Mannschaft gewinnt, sondern auch mal die Mannschaft, die sich am meisten angefeuert hat. Also lauter solche Sachen, durch die sich jeder selbstwirksam fühlt. Das sind Dinge, die ich aus der GameChanger-Ausbildung mitgenommen habe.
Einige Wochen vor der Ausbildung haben wir einen Fragebogen ausgefüllt und damit wurde ein Persönlichkeitsprofil erstellt. Und am ersten Tag haben wir uns den Bogen mit Silke Mayer angeguckt. Das war so ein Moment, der mich auf links gedreht hat: Ich fand es erstaunlich, wie genau die Analyse war. Insgesamt fand ich es sehr interessant, wie die Gruppe sich dadurch geöffnet hat. Bei allen Übungen. Es wurde nicht über den anderen gelacht, es war einfach sehr, sehr vertrauensvoll und wir hatten sehr viel Spaß. Bei jedem Modul gab es abends eine Sporteinheit bei der wir selbst Basketball oder Fußball gespielt haben. Das schweißt die Gruppe zusammen. Es war sehr interessant, wie man loslassen konnte und der anderen Person vertraut hat. Das war sehr, sehr einprägsam.
Weitere Inhalte der Ausbildung, der meinen Trainingsalltag sehr konkret beeinflusst, ist die gewaltfreie Kommunikation. Die Begegnung auf Augenhöhe. Dass man versucht, den anderen zu lesen und zu reflektieren und die Bedürfnisse herauszukitzeln, die bei dem anderen gerade nicht erfüllt sind.
Ich finde, die Mädchen sollen nicht zum Fußball kommen und sich komplett verändern. Ich versuche, mit ihren Kompetenzen zu arbeiten, die die Spielerinnen mitbringen. Ich will diese mit der Spielerin verbessern, nicht die Spielerin an sich. Alle sind Menschen mit ihren eigenen Geschichten, mit ihren eigenen Persönlichkeiten. Einen sehr einfachen Satz habe ich mir rausgeschrieben. »Ich bin okay, und du bist okay.« Das ist bei mir hängengeblieben, weil ich mich am Anfang immer selbst in Frage gestellt habe: ob das gut ist, was ich da mache, ob ich irgendwie härter zu den Mädchen sein muss, oder ob ich noch näher dran sein muss. Dieser Satz hat mich aber auf meinem Weg bestärkt. Wir sind okay, so, wie wir sind.
Was ich bei der GameChanger-Ausbildung sehr interessant fand: Dass die anderen meist aus dem Leistungssport kommen, aber ich meine sonderpädagogische Perspektive immer noch im Hintergrund hatte – obwohl ich mit meiner U12 ja auch im Übergang vom Breitensport in den Leistungssport arbeite. Da hat sich in mir immer wieder ein kleiner Konflikt aufgetan: Widerspreche ich mir hier gerade selbst? Indem ich zum einen die Leistung herauskitzeln möchte, zum anderen aber diese sonderpädagogische Perspektive habe?
Durch die Ausbildung weiß ich, dass sich diese beiden Ziele nicht ausschließen. Dass man auch im Leistungssport trotzdem den Menschen sehen kann. Dass man die Charakteristika sehen muss, die das Kind mitbringt. Dass man das Kind einfach mal Kind sein lassen darf. Es soll ja mit neun Jahren keine Maschine werden. Der Druck kommt erst später. Einer von den Bochumern hat gesagt: Druck hat nur der Ball. Das fand ich gut.
Bei unseren Hallenturnieren im Winter habe ich wieder gemerkt, dass diese pädagogische Arbeit sehr, sehr wichtig ist und das Fußballerische total in den Hintergrund tritt. In der Kabine hieß es nicht: Wir ändern jetzt die Aufstellung, ihr müsst da und da hinlaufen, achtet auf dieses und jenes. Wir haben stattdessen darauf geachtet, dass die Motivation bleibt, dass man sagt: Okay, ihr könnt alle Fußball spielen. Habt Vertrauen in euch. Mehr Motivationsarbeit als das rein Fußballerische.
Die GameChanger-Ausbildung würde ich jederzeit wiederholen. Während der Ausbildung dachte ich: Ja, ich setz das alles um, ich merk mir das alles. Aber im Endeffekt ist gar nicht alles hängengeblieben, weil man in so einer kurzen Zeit so intensiven Inhalt erlebt. Ich glaube, man müsste das halbjährlich immer wieder wiederholen, damit sich das richtig festsetzen kann. Ich würd’s auf jeden Fall wieder machen, um eben mehr umsetzen zu können.
Seht euch auch unseren Videobeitrag über die Würzburger
Fussballtrainer und GameChanger Laura und Fabian an: