Der Mensch »braucht« Werte, weil er sie bereits hat! Neurobiologisch und somit evolutionär sind Werte mit einem eigens dafür vorgesehenen Areal im vorderen Hirnbereich angelegt. Evolutionär bilden Werte ein Mischsystem aus Emotionen und Gedanken, die uns eines geben: Orientierung!
Werte sind unser moralischer Handlungskompass, unser affektlogisches Navigationssystem, das uns Stabilität und Sicherheit in einer komplexen Welt gibt. Sie sagen uns, was wir tun sollen, wenn wir unsicher sind. Das hat ganz offensichtlich viele Vorteile, kann aber bei sehr verkrusteten Werten auch Nachteile haben. Denn sind Werte einmal aufgebaut, sind sie sehr, sehr stabil, und es braucht viel Zeit, sie aufzubrechen, umzudeuten und zu ändern.
Wichtig ist, dass »der« Sport eben nicht gleich von der Stärkung von Werten ausgehen sollte. Denn der Begriff »Wert« kann mit Blick auf die Gesellschaft positive, aber auch sehr negative Aspekte.
Der Sport hat die Kraft zu etwas viel Wichtigerem: In und mit ihm kann man Werte nicht nur stärken, sondern BILDEN! Das ist insofern etwas ganz anderes, als hier den Menschen die Möglichkeit gegeben wird, diese Werte mit Hilfe von Freunden und Trainern selbst aufzubauen, zu konstruieren und in Gesprächen und im gemeinsamen Handeln auszudiskutieren. Dadurch werden sie lebendig und dynamisch und können sich der stetigen Veränderung bei Bedarf anpassen. Dazu muss ich aber nachdenken. Vom Laufen und Bälle werfen alleine baut man keine Werte auf. Man muss beim Werteaufbau tatsächlich auch geistige Höchstleistung vollbringen.
Hinzu kommt: Da viele Sportarten Spielarten des Lebens sind und hier aufgrund der besonderen Konstellation sportlichen Handelns, nämlich in Wettkämpfen unter kooperativen (!), fairen Bedingungen, jeder Spieler stark gefordert wird und soziale Grenzsituationen entstehen, werden permanent auch soziale Regeln getestet, erprobt und hinterfragt. Deshalb ist Sport ein wunderbares »Wertelabor«, in dem mit den Spaßfaktoren Bewegung und Spiel selbige gebildet werden können. Wertebildung kann also sehr viel Freude bereiten.
Täglich, stündlich, ja nahezu minütlich. Vergleichen wir die Gesamtheit menschlichen Handelns mit einem Schiff, das auf dem weiten Ozean gesellschaftlicher Möglichkeiten schwimmt, dann sind Werte die geistig-emotionalen Anker, die ständig den Stürmen der sozialen Anforderungen standhalten müssen.
Allerdings, und das betrifft das Wort »merken« in der Frage, braucht man dazu eine entsprechende Wahrnehmung
Im Team sind Werte der Kitt und die Bindemasse dieses sozialen Gefüges. Sind die Werte allen bekannt und von allen gewollt und für gut befunden, können sie einen Mehrwert schaffen, das heißt, aus 4 Spielern kommt nicht vierfaches Potential, sondern durch die Verbindung über die gemeinsamen positiven Werte steigert sich das individuelle Potential exponentiell: aus Vier wird 16!
Umgekehrt können Werte das Potential eines Teams dann hemmen, wenn etwaige gegenläufige Werte unausgesprochen im Hintergrund wirken, wenn unbewusste Konflikte vorliegen, die insgeheim das gemeinsame Handeln blockieren. Deshalb: Weil sie emotional so stark eingefärbt sind, müssen Werte ausgesprochen, allgemein bekannt, diskutiert und von allen in einer größtmöglichen Gemeinsamkeit verfolgt
JA! Hierzu gibt es vielerlei Möglichkeiten, angefangen innerhalb des Trainings, wo über »Freezephasen« sozial auffällige Situationen kurz gemeinsam besprochen werden, bis hin zu mehrtägigen Blockseminaren in Form eines Teambuildings auf einer einsamen Bergalm. Ob Rollenspiele mit Videoanalysen oder Ballspiele mit bewusst erzeugten Konflikten, die im Anschluss kritisch reflektiert werden; die Anzahl und Art werteerzieherischer Spiele und Übungen ist mittlerweile sehr groß.
Wenn alle mitmachen, ist es ein Selbstläufer. Wie bei jedem Lauf allerdings kann man sich auch verlaufen … – dann wird es schwierig, denn nun muss man sich als Team eingestehen, dass die Gruppe einer moralischen Desorientierung unterliegt. Wer macht nun den Anfang? Denn man hatte doch konsensual diesen Weg eingeschlagen …. Der Trick ist, dass bereits bei der gemeinschaftlichen Wertebildung nicht nur das Kollektiv stark gemacht werden muss (T E A M = »Toll, ein anderer macht’s«), sondern ein sehr starkes Team immer auch über starke Individuen definiert wird. Also: alle einzeln stark machen, um sie in einem zu allen passenden Gefüge noch stärker zu machen. Und wenn es dann Probleme gibt, ist der Einzelne immer noch stark genug, um Verstöße gegen die Toleranz anzusprechen.
Außerdem sollten zwischendrin immer wieder Phasen der Selbstreflexion eingebaut werden: Setzen wir als Team unseren Wertekanon noch um, oder machen wir uns bereits etwas vor? Ehrlichkeit ist hier ein Wert, der sehr gut helfen kann.